Die Kriegsjahre 1939-45
Das drohende Unheil wirft bereits schon lange seinen dunklen Schatten voraus. So wird die Wirtschaft im Rahmen des Wehrwirtschaftsplanes teilweise zentralistisch gelenkt und die braunen Machthaber entscheiden welcher Betrieb welche Produkte fertigen darf. Der Kriegsausbruch 1939 bedeutet denoch einen entscheidenden Einschnitt in die Geschichte des aufstrebenden jungen Unternehmens.
Zwar dürfen unmittelbar nach Kriegsausbruch noch Fahrräder und Motorräder für die Volkswirtschaft produziert werden, allerdings kommt die zivile Produktion hier am 31.Dezember 1939 nahezu zum Erliegen und muss fast komplett auf Kriegswirtschaft umgestellt werden.
Da Rixe als metallverarbeitender Betrieb über den entsprechenden Maschinenpark verfügt, werden nun statt Fahrrädern und Motorrädern Fliegerbomben und Granaten hergestellt.
Ein Schicksal, welches Rixe mit anderen namhaften Bielefelder Betrieben wie z.B. Anker, Dürkopp und Göricke teilt.
Als einer der wenigen Produzenten darf Rixe neben Rüstungsgütern jedoch nach wie vor zivile Güter in geringem Umfang fertigen.
Jedoch machen sich die Kriegsanstrengungen schon relativ früh im Alltag bemerkbar, so gibt es ab dem 1/7.1940 gab es auch Rixe-Fahrräder für privat nur gegen Bezugsschein.
Der Umsatz liegt 1940 bei 433.000,- Reichsmark.
Bild rechts:
Werksrechnung über die Lieferung eines Fahrrades an einen Grossisten, November 1941
Das waren noch Zeiten: ein Damenrad für 49,61 Reichsmark.
Rechnung November 1941
Auch die vor dem Krieg zunächst sehr erfolgreich begonnene Verbindung mit der Fa. Wagner in Wien als Generalvertreter für die Ostmark bereitet große Probleme. Da Wagner seinen Verpflichtungen, auch kriegsbedingt, nicht nachkommen kann und zugleich die ursprünglich im Vertrag von 1938 zugesicherten Lieferungen nicht mehr geleistet werden können, kündigt Rixe Mitte 1941 den Generalvertrag. Wagner wird zwar weiterhin beliefert, verliert aber das Exclusivrecht.
Zunehmend verlagert Rixe verstärkt die Produktionskapazitäten in Richtung Rüstung.
Mittlerweile ist Helmut Rixe, der Sohn des verstorbenen Firmengründers August Rixe in das Unternehmen eingetreten und erhält am 6/9. 1941 Prokura.
Die Funktion als technischer Leiter übernimmt Walter Heine, welcher auch Prokura erhält.
Mit gleichem Datum wird Wilhelm Schäffer als kaufmännischer Leiter gleichfalls zum Prokuristen ernannt.
In dieser Konstellation gelingt es Heinrich Oberschelp das Unternehmen durch die Kriegszeiten zu steuern..
Der immer länger dauernde Krieg bleibt auch für Rixe nicht ohne weitreichende Folgen.
So hat Rixe einen hohen Zoll an eingezogenen und gefallenen Mitarbeitern zu entrichten.
Im Laufe des Krieges fallen 40 eingezogene Mitarbeiter auf den Schlachtfeldern Europas und Afrikas, 6 weitere werden vermisst gemeldet und kehren gleichfalls nicht zurück..
Für die Hinterbliebenen richtete Rixe eine Unterstützungskasse ein. Hieraus erhalten die Familien einmalig 100,- Reichsmark. Ein schwacher Trost.
Da der nebenstehende Text schwer zu erkennen ist:
Sehr geehrte Frau ********!
zum Anlass des Heldentodes Ihres Gatten übermitteln wir Ihnen aus unserer Unterstützungskasse RM 100.--
In besonderer Anerkennung der bewährten Mitarbeit Ihres Gatten empfangen Sie gleichzeitig im Auftrage der Geschäftsführung einen weiteren Betrag in Höhe von RM 100.--
In stiller Verbundenheit grüßt Sie
Die Betriebsgemeinschaft
der Firma
R i x e & Co. G.m.b.H.
Einschreiben
Anschreiben an eine Kriegerwitwe, 1943
Da die Kapazitäten bald nicht mehr ausreichen, werden 1943 die Arbeitszeiten verlängert sowie Sonntagsschichten eingeführt um der hohen Nachfrage des "totalen Krieges" nachzukommen.
Gearbeitet wird in zwei Schichten á 11 Stunden, also quasi "rund um die Uhr"
Im Verlauf des Krieges macht sich die immer größer werdende Rohstoffknappheit bemerkbar. So dürfen ab 1942 grundsätzlich nur noch schwarze Räder gefertigt werden, um Nickel, Chrom und andere wichtige Rohstoffe für die Rüstung vorzuhalten. Auch wird die Materialzuteilung zentralistisch gelenkt, nur ausgewählte Betriebe dürfen im Reich jetzt noch als nicht kriegswichtig eingestufte Güter produzieren.
Hierzu gehören auch Fahrräder für den Zivilbedarf. Rixe gehört trotzdem dazu. Allerdings kann nicht jeder Reichsbürger das Fabrikat kaufen, dass ihm am liebsten ist.
Das Reichsgebiet wird in wenige Verkaufsbezirke aufgegliedert. In diese müssen die dem Gebiet am nächsten ansässigen Betriebe die Händler beliefern, die wiederum für den Erwerb und Weiterverkauf an den Endkunden einen Bezugs- bzw. Umtauschschein benötigen, siehe unten. Rixe beliefert den Verkaufsbezirk XVIII.
Händler-Bezugsschein Fahrrad, 1942 Werbeanzeige Rixe, Radmarkt 1943
Bemerkenswert ist, dass trotz aller Widrigkeiten und Anstrengungen noch inmitten des Krieges ausgebildet. wird. Sogar im kaufmännischen Bereich, wie nachstehende Dokumente belegen:
Lehrvertrag, Mai 1943 Lehrzeugnis, März 1946
Ungeachtet aller Kriegswirren und Unwägbarkeiten konnte in diesem Falle der junge Mann, der bei Eintritt grade 14 Jahre geworden war, unmittelbar nach dem Krieg seine 1943 begonnene Lehre fortsetzen und diese im Frühjahr 1946 erfolgreich bei Rixe abschließen.
Ein dunkles Kapitel in der Firmengeschichte:
Durch den verstärkten Aderlass an Personal für die Wehrmacht sowie den Status als kriegswichtiger Rüstungsbetrieb werden Rixe auch osteuropäische Zwangsarbeiter zugewiesen.
Überwiegend sind dies osteuropäische Hilfsarbeiter als auch Kriegsgefangene. Die ersten Zwangsarbeiter, im offiziellen Sprachgebrauch "Ost- oder Fremdarbeiter" treffen bereits kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Jahre 1941 ein.
Die im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft relativ hohe Anzahl an Zwangs/Fremdarbeitern bringt auch ganz praktische Probleme, wie z.B. die Unterbringung mit sich. Im Jahre 1943 stellt Rixe daher einen Antrag für die Errichtung von Unterbringungsbaracken auf dem Werksgelände. Diesem wird von Amts wegen relativ schnell und umfassend entsprochen, so entstehen Unterbringungsmöglichkeiten auf dem Werksgelände.
Barackenbau, ca. 1943 Baracken auf dem Gelände Werk II, im Hintergrund sind Firmengebäude zu erkennen.
Bis Ende des Krieges beschäftgte Rixe insgesamt 137 Zwangsarbeiter aus Osteuropa. Auffällig ist hier, dass nahezu 80% zwischen 12-20 Jahren alt waren. Ein Indiz für körperlich anstrengende und zehrende Arbeit, es werden gesunde und kräftige Arbeiter benötigt. Über die genaueren Lebens-und Arbeitsumstände ist relativ wenig bekannt. Die Zwangsarbeiter sind innerhalb der Lager isoliert, Kontakt zu einheimischen durfte nicht hergestellt werden. Auf strikte Trennung wird auch bei den Mahlzeiten geachtet, jeder nicht durch die Arbeit bedingte Umgang zwischen Deutschen und Zwangsarbeitern war strikt verboten.
Ein Arbeiter verdient zu diesem Zeitpunkt bei Rixe 20,- Reichsmark die Woche. Leider ist es heute nicht mehr nachvollziehbar, ob die Zwangsarbeiter auch entlohnt wurden.
Jedoch ist überliefert, dass es zahlreiche Ausbrüche und Fluchtversuche gegeben hat. Eigentlich ein sinnloses Unterfangen, denn die Flüchtenden suchten i.d.R. den Weg in die Heimat- die nach wie vor von den Nazis besetzt war. Und mussten ohne Papiere und meistens ohne Geld Tausende von Kilometern zurücklegen- immer verbunden mit der Angst vor Entdeckung. Im Falle der Festnahme erfolgte eine umgehende Überführung in ein Konzentrationslager.
Die umzäunten Baracken blieben nach dem Krieg stehen und wurden nach Wiederaufnahme der Fertigung nach dem Krieg noch lange als normale Fertigungsstätte benutzt.
Da im Zuge des Rüstungsprogrammes bei Rixe entscheidende, kriegswichtige Güter (Fliegerbomben und Granaten) hergestellt werden, wird Rixe bei der Zuteilung und Anschaffung wichtiger Geräte für die Fertigung bevorzugt behandelt..
Rechts im Bild eine Maschine aus der ehemaligen Rixe-Fertigung.
Hierbei handelt es sich um einen 4-Spindel Automaten.
Bereits vor dem Krieg wurden hierauf Lagerringe für Fahrrad-Tretlager hergestellt.
Während des Krieges wurde diese Maschine für die Fertigung von Geschosshülsen für Bomben- und Flakgranaten umgerüstet.
Die Maschine blieb von Kriegsschäden und Demontage verschont und verrichtete auch nach 1945 lange Jahre ihren zivilen Dienst- bis zum Ende 1985.
Insgesamt war die Maschine über 50 Jahre im täglichen Gebrauch und ist damit ein gutes Sinnbild für den veralteten Maschinenpark.
Die Maschine steht heute im historischen Museum in Bielefeld und ist noch funktionstüchtig.
Gelegentlich werden zu Schauzwecken noch Lagerringe hergestellt.
Wie vor 75 Jahren.
Beim großen Bombenangriff auf Bielefeld am 30. September 1944 versinken große Teile der Stadt in Schutt und Asche.
Während nahezu die komplette Innenstadt und weite Teile der Infrastruktur den amerikanischen Bomben zum Opfer fällt und über 1.000 Zivilisten den den Tod finden, bleiben die Schäden an den Rixe-Gebäuden in überschaubaren Grenzen. Hier war es von Vorteil, im Randgebiet der Stadt angesiedelt zu sein- im Gegensatz z.B. zu den Göricke-Werken, welche an diesem Tage nahezu vollständig dem Erdboden gleichgemacht werden und gegen Ende Krieges zu 75% zerstört sein werden.
Bei einem weiteren Fliegerangriff am 23. November 1944 erhält der Werkzeugbau in Werk II einen Volltreffer und wird entsprechend beschädigt. Für die Dauer der Instandsetzungsarbeiten ist die Produktion deutlich eingeschränkt, bzw. kommt Ende November stellenweise ganz zum erliegen.
Umso bemerkenswerter ist hingegen, dass bereits im Folgemonat Dezember 1944 mit einer Menge von knapp 370.000 Stück der zweithöchste Ausstoß an 2-cm Brandgranaten, bzw. Leuchtspurgeschossen während des gesamten Krieges erreicht wird. Dringend benötigte Munition für die zur Reichsverteidigung eingesetzten Flugabwehrgeschütze.
Im letzten vollen Kriegsjahr 1944 produzierte Rixe alleine von den 2-cm Granaten fast 3 Millionen Stück. Hinzu kamen ab März 1944 wieder 5-Zentner Fliegerbomben, hier entstanden bis November über 8.000 Stück.
Diese hohe Produktionszahlen lassen nur ansatzweise die Anstrengungen und Bedingungen der Arbeit erahnen. In der Spitze sind zu Kriegszeiten knapp über 400 Arbeiter (incl. Fremdarbeiter) beschäftigt.
Der hohe Anteil von gut 75% ungelernten Kräften lässt einen guten Rückschluss auf die Anzahl und Verwendung der eingesetzten Zwangsarbeiter zu.
Gebäudeschäden an Werk II, November 1944
Am Abend des 31.März 1945 geben die Bielefelder Sirenen "Feindsignal". Die Amerikaner stehen mit der 9. US-Army und der 5. Panzerdivision vor der Stadt. Tags zuvor ist aus Berlin angeblich der "Führerbefehl" eingetroffen, Bielefeld und den Regierungsbezirk Minden bis zum "letzten Mann" zu verteidigen.
Trotzdem ergeht am späten Abend des 31. März an alle Betriebe der Ruf "Lähmung". Dies geschieht nach Rücksprache mit dem NSDAP-Kreisleiter und bedeutet sofortige Stilllegung aller Rüstungsbetriebe in Bielefeld. Und damit auch für Rixe.
Am 1. April 1945 fällt Bielefeld weitgehend kampflos an die Amerikaner, damit ist der Krieg für Bielefeld beendet.
Welch unfassbares Glück (sofern man in diesem Zusammenhang davon sprechen kann) die Rixe-Werke hatten und von schweren Bombentreffern ganz knapp verschont wurden, zeigt nachstehende Luftbildaufnahme (Werksgebäude eingekreist)
Luftbildaufnahme 1945 (Quelle: Bilderdienst US Army, frei verfügbar)
Hatte Rixe die zwangsweise Umstellung auf Rüstungsgüter in den ersten Kriegsjahren noch gut überstanden, entwickelte sich der Krieg auch nach dem verlorenen Ende zum wirtschaftlichen Desaster.
Da die Nazi-Regierung ihre Schulden nicht beglichen hatte, müssen Rüstungsforderungen in Höhe von insgesamt über 829.000,- Reichsmark abgeschrieben werden!.
Heinrich Oberschelp, der nach wie vor geschäftsführend tätig war, nimmt trotzdem die Herausforderung an und beginnt den Wiederaufbau.
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